Pressemitteilung vom 28. Juli 2017
Hochverehrte Damen! Werte Gäste! Liebe Bundesbrüder!
»Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen« lautet das wohl bekannteste Zitat des berühmten Philosophen Immanuel Kant. Zwar treffen wir ständig Entscheidungen und machen dabei, so gut es uns möglich ist, Gebrauch unseres Verstandes, doch wie sehr beruhen unsere Entscheidungen und unser Denken tatsächlich auf eigenen aktiven Denkprozessen? Wie kritisch sind sie? Wie beeinflusst? Von wem beeinflusst – und mit welchem Ziel?
Unser aller Denken ist unvollkommen, und es bleibt auch denn unvollkommen, wenn wir eine akademische Ausbildung durchlaufen haben. Jeder von uns unterliegt Vorurteilen, Fehleinschätzungen, Irrtümern. Besonders gefährlich sind Vorurteile, die wir nicht als solche erkennen, weil vielleicht die meisten anderen ebenfalls diesen Vorurteilen erliegen – oder auch nur so tun –, oder wie wir mit Vorurteilen großgeworden sind. Es ist anstrengend, zeitaufwendig und oft beunruhigend, sich an diesen Vorurteilen, Fehleinschätzungen und Irrtümern abzuarbeiten, und es gehört außerordentlich viel Mut dazu, einen Irrtum oder Fehler zuzugeben – doch gerade darin zeigt sich Größe.
Oft müssen wir außerdem entscheiden, ohne gründlich nachzudenken, und das macht uns anfällig – anfällig für Werbung, moderne Märchen, Gerüchte und leider auch für politische Desinformation und Propaganda. Manche dieser Entscheidungen haben weitreichende Konsequenzen – man kann sie schlecht übergehen, und wenn man es doch tut, ist auch das eine Entscheidung.
Leider ist vor diesem Hintergrund die Verschulung fast aller Hochschulfächer in der heutigen Zeit besonders gefährlich. – Die Studiendauer ist regelhaft auf sechs Semester verkürzt, Studenten werden zur Eile getrieben, ständig drohen Klausuren und Abgabetermine. Normalerweise geht es dabei nur darum, das zu reproduzieren, was andere gedacht haben. – Wenn in manchen Fächern die wissenschaftliche Methode der Erkenntnisgewinnung gelehrt wird – und das ist keineswegs in allen Fächern der Fall –, dann wird meist versäumt, auf ihre Allgemeingültigkeit für das ganze Leben hinzuweisen und sie einzuüben. – Die wissenschaftliche Methode wird zum bloßen Lernthema wie alles andere. – Das selbständige Denken bleibt auf der Strecke.
Einer der Orte, an denen das selbständige Denken beharrlich verteidigt wird, ist unsere Alsatia. Wir tun uns schwer, angesichts des verschulten Studiums uns unsere Freiräume zum selbständigen Denken zu verschaffen – aber wir finden: Es ist die Mühe wert. Es ist angesichts der heutigen Informationsüberflutung eine Wohltat und auch eine Entlastung, Bundesbrüder zu haben, die sich ebenfalls um selbständiges Denken bemühen und einen an ihren Denkprozessen teilhaben lassen.
Leider erleben wir immer wieder, dass Studenten glauben, keine Zeit für Alsatia zu haben, weil sie meinen, es würden nur ein schnelles Studium und gute Noten zählen. Wir meinen, dass selbständiges Denken die beste Vorbereitung auf das Leben ist. Ironischerweise haben viele von uns erlebt, wie viele anfangs besonders ehrgeizige Kommilitonen, die aus Zeitgründen nicht bei uns aktiv werden wollten, ihr Studium später verbummelt haben – mit uns wäre das wahrscheinlich nicht passiert. Wir meinen: selbständiges Denken ist entscheidend, wenn jemand das lernt, wird sich alles weitere fügen.
Leider gewinnt heutzutage die politische Massenpropaganda eine neue Qualität – mit drastischen Konsequenzen – Gewalt und Unfreiheit sind die Folge. Es kann für uns deshalb nicht mehr damit getan sein, uns selbst um selbständiges Denken zu bemühen: Wenn es uns nicht gelingt, selbständiges Denken zum Massenphänomen werden zu lassen, sieht die Zukunft für uns alle düster aus. Dafür möchten wir ein Bewusstsein schaffen. Deshalb bitten wir Sie um Ihre Unterstützung: Nutzen Sie diese Kneipe zum Gedankenaustausch: Lassen Sie uns teilhaben: Welche neuen Erkenntnisse hatten Sie in der letzten Zeit? Welche Vorurteile sahen Sie widerlegt? Welche Falschinformationen haben Sie erkannt? – und wie?
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche gute Gespräche. Trinken möchte ich mit Ihnen auf Freiheit und Aufklärung, auf selbständiges Denken und eine hoffentlich etwas bessere Zukunft!